Grundsätze und Kriterien im mehr demokratie! Modell

Das direkt-demokratische Prozessdesign soll einige wesentliche Grundsätze und Kriterien berücksichtigen

Wirksam

Die Ergebnisse der Volksabstimmungen müssen verbindlich sein. Unverbindliche Volksbefragungen, über die sich Machthabende hinwegsetzen können, können nicht jenes Vertrauen in die Weisheit der Vielen vermitteln, um von der Bevölkerung ausreichend ernst genommen zu werden. Das Potenzial der Direkten Demokratie kann sich dabei nicht entfalten. Gleiches gilt für Ausgestaltungen, wo es allein dem Nationalrat vorbehalten bleibt, das Anliegen des Volksbegehens in einen Gesetzestext zu gießen, wie es zB. im Vorschlag des Volksbegehrens MeinOE enthalten ist. Damit würde die Möglichkeit eingeräumt, dass die Parlamentsmehrheit unliebsame Forderungen des Volksbegehrens ins Gegenteil verkehrt.

Menschenrechts-konform

Da Parlament und Regierung ihre Entscheidungsbefugnisse vom Souverän, von der Bevölkerung,  herleiten, muss die Bevölkerung in Volksabstimmungen über alles entscheiden können, worüber auch Parlament und Regierung entscheiden können. Themenausschlüsse, die nur für die Bevölkerung, nicht aber auch für die Machthabenden gelten, sind entschieden zurückzuweisen. Diesem Grundsatz entsprechend ist die Menschenrechts-Bindung der Demokratie durch die Bevölkerung in Volksabstimmungen genauso zu beachten wie sich Parlament und Regierung daran halten müssen. Schon zu Beginn des direkt-demokratischen Verfahrens soll eine Klärung erfolgen, ob das Anliegen Menschenrechts-konform ist. Über Menschenrechtswidriges abzustimmen und es nachträglich vom Verfassungsgerichtshof aber wieder aufzuheben, würde hingegen das Vertrauen in die Wirksamkeit Direkter Demokratie aushöhlen.

Bürger_innen-freundlich und zivilgesellschaftlich

Die Hürden der erforderlichen Unterstützungserklärungen sollen auch für die nicht in Parteien und Großverbänden organisierte Zivilgesellschaft erreichbar und praxistauglich sein. Eine Unterstützungshürde von 10% (dh. ca. 630.000 Unterstützungserklärungen) wie im aktuellen Vorschlag von SPÖ und ÖVP schließt die nicht partei-förmig organisierte Bevölkerung faktisch von einer realistischen Mitgestaltung und Mitentscheidung aus und versäumt daher die Chance, die Kluft zwischen Parteienstaat und Bevölkerung mithilfe von Direkter Demokratie von unten zu verringern.

Freie Unterschriftensammlung bewirkt einen unkompliziert selbstorganisierten Diskurs innerhalb der Bevölkerung und wird daher zurecht als die „Seele der Direkten Demokratie“ bezeichnet. Das antiquierte bürokratische Hindernis, für eine Unterstützungserklärung aufs Amt gehen zu müssen, ist daher zu beseitigen.

Beteiligungsquoren machen ein gültiges Volksabstimmungsergebnis von einer Mindestbeteiligung der Stimmberechtigten abhängig. Internationale Erfahrungen belegen, dass Beteiligungsquoren fast ausnahmslos dazu führen, dass von der Gegnerseite offen zur Nichtteilnahme an der Volksabstimmung aufgerufen wird und der Diskurs über das Anliegen verweigert wird, weil dies die Erfolgswahrscheinlichkeit für die Gegnerseite massiv erhöht. Beteiligungsquoren bewirken somit eine „Berlusconisierung“ der Politik und schaffen eine Struktur, wo undemokratische Diskursverweigerung belohnt wird.

Fair und Chancen-gerecht

Wichtig ist, dass bei der Werbung für das Anliegen Chancengleichheit sichergestellt wird. Dazu ist eine Abstimmungsbroschüre ein wesentliches Element. In einem fairen Redaktionsprozess wird eine unparteiisch formulierte Gegenüberstellung der Argumente der Befürworter- und Gegner-Seite erstellt. Die Abstimmungsbroschüre wird an alle Stimmberechtigten verschickt wird, sodass sich alle unkompliziert einen raschen Überblick über die maßgeblichen Argumente verschaffen können. Wichtig ist auch ein fairer Zugang insb. zu den öffentlich-rechtlichen und öffentlich geförderten Medien. Darüberhinaus wird auch eine Kostenerstattung (ähnlich der Parteienfinanzierung) erforderlich sein. Außerdem soll die Finanzierung der direkt-demokratischen Kampagne transparent offengelegt werden. Der Rechnungshof soll nicht erst im Nachhinein, sondern bereits während des laufenden Volksbegehrens überprüfen können und darüber informieren, wer eine finanzkräftige direkt-demokratische Kampagne wirklich finanziert.

Deliberativ

Das drei-stufige Modell sieht einen formalisierten Dialog zwischen Parlament und Initiative mit Hearing und Rederecht der Initiative, nachdem die erforderlichen Unterstützungserklärungen für die Volksinitiative gesammelt wurden. Da die Initiative die Volksabstimmung aufgrund des erfolgreichen Volksbegehrens durchsetzen kann, kann sie mit dem Parlament auf selber Augenhöhe verhandeln, woraus sich konstruktive Kompromisslösungen eröffnen können. Kommt es zu einer Volksabstimmung, dann kann das Parlament auch einen Alternativvorschlag vorlegen, der gegen den Gesetzesentwurf des Volksbegehrens antritt. Für populistische Volksbegehren reduziert ein solcher Alternativvorschlag die Chancen erheblich. Bei einem Diskurs zwischen mehreren Alternativvorschlägen treten nämlich Scheinlösungen sehr viel deutlicher zutage als bei einer Ja/Nein-Entscheidung über einen einzigen Vorschlag.

Wesentlich ist ein ausführlicher öffentlicher Diskurs, in dem Expert_innen und Interessengruppen ausgiebig Gelegenheit haben, zu Wort zu kommen. Auf dieser Grundlage können sich alle Stimmberechtigten einen Überblick über die wesentlichen Argumente verschaffen. Für diesen Diskurs müssen insb. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausreichende Diskussionsformate vorgesehen sein.

Anzahl der erforderlichen Unterstützungserklärungen

Aus Sicht von mehr demokratie! sollen im dreistufigen Modell der Direkten Demokratie

  • für die 1. Stufe der Volksinitiative („Initiierungsstufe“) 10.000 Unterstützungen erforderlich sein
  • Um in der 2. Stufe („Qualifizierungsstufe“) mit einem Volksbegehren eine Volksabstimmung auszulösen, 100.000 Unterstützungen in 18 Monaten gesammelt werden
  • Ein Veto-Referendum mit 50.000 Unterstützungen, die in 3 Monaten gesammelt werden, ausgelöst werden